Geburtstag

Letzte Woche war Michaels Geburtstag. Und meiner, und der meines Sohnes. Ich hatte Angst vor diesen Tagen. Das erste Mal feiern wir unsere Geburtstagswoche ohne ihn.

An Michaels Geburtstag hatte ich eine kleine Runde unserer Freunde zu mir nach Hause eingeladen. Wir haben auf ihn angestoßen und viel an ihn gedacht. Wir haben aber auch über andere Dinge gesprochen, wie man es halt so macht, wenn man zusammenkommt. Ich fühlte mich wie in Trance. Und auch heute bin ich noch komplett erschöpft. Meinem Sohn geht es ebenso. Er leidet gerade besonders.

Trotz Erschöpfung  bin ich gleichzeitig total unruhig, am liebsten möchte ich mich täglich auf mein Rennrad schwingen und einfach nur stumpf vor mich hinfahren. Ich habe sonst das Gefühl zu zerplatzen. Nachts liege ich wach und denke darüber nach, warum mein Leben ist wie es ist. Warum ich bestimmte Menschen treffe, die mir plötzlich nahe sind, obwohl ich sie erst wenige Wochen kenne. Warum mir andere Menschen ferner denn je erscheinen.

Ich lasse mich treiben – sehr untypisch für mich.

Noch viel mehr Wellen

Aktuell fühle ich mich wie ein Boot, das von Wellen hin und her geworfen wird. Sie tragen mich nach oben und nach unten. In einem Tempo, das mir manchmal zu schnell und manchmal zu langsam ist.

Ich bin willenlos und müde.

In guten Momenten höre ich mir Musik an, die ich mit Michael verbinde. Ich sehe schöne Dinge um mich herum und kann mich darüber freuen. In schlechten Momenten muss ich von einer Sekunde zur nächsten weinen. Ich kann nichts essen. Dieses ständige Schwanken zwischen sich ok fühlen oder tieftraurig sein, ist anstrengend.

Gestern habe ich Michaels Pyjama gewaschen, den er in seiner letzten Nacht zu Hause getragen hat. Ich hatte ihn aufgehoben, um immer wieder daran zu schnuppern und ihn festzuhalten. Der Duft ist weg. Nach vier Monaten.

Wochenende

Am Wochenende war ich zum ersten Mal seit dem Tod von Michael tanzen. Ich habe mich schon lange nicht mehr so lebendig gefühlt. Zwischendurch kam dann ein langsames Lied und alle Paare um mich herum auf der Tanzfläche haben sich plötzlich umarmt und eng miteinander getanzt. Ich stand allein am Rand, hatte meinen Drink in der Hand … und habe mich gefreut.

Ich habe mich über die Liebe gefreut, die diese Paare ausgestrahlt haben. Wie schön, dass sie sich haben, dachte ich. Komischerweise war ich nicht traurig oder gefrustet oder sauer. Das hat mich selbst total überrascht. Ich musste an Michael denken und habe gelächelt.

Mein Tag

Aktuell werde ich oft gefragt wie denn so meine Tage sind und was ich eigentlich mache. So sieht mein Tagesablauf aus:

5.45 Uhr: Aufstehen

5.45-7.15 Uhr: Katzenklo sauber machen, Katzen füttern, Kleidung für Sohn bereit legen, Frühstück machen, Sohn aus dem Bett scheuchen, Kaffee kochen, Sohn immer noch aus dem Bett scheuchen, Duschen, Anziehen, ein Gesicht malen (=Schminken), Betten machen, Katzenklo zum 2. Mal sauber machen, Geschirrspüler ausräumen

7.20 Uhr: Ich verlasse das Haus mit Sohn und wir gehen zusammen zur U-Bahn. Er fährt in die eine Richtung, ich in die andere, vorher beim Bäcker noch schnell ein Milchbrötchen für die Schule kaufen.

7.45-17.00 Uhr: Arbeit

17.30-19.30 Uhr: Einkaufen, Katzen füttern, Katzenklo sauber machen, Blumen gießen, Wäsche waschen, aufhängen oder abhängen, Post bearbeiten, erste Anrufe machen, Kochen, Sohn nach Hausaufgaben fragen/kontrollieren

19.30-20.30 Uhr: Sohn und ich essen Abendbrot, besprechen Termine und schauen kurz Fernsehen

21.00 Uhr: Sohn daran erinnern, seinen Schulranzen zu packen, Küche aufräumen, Katzenklo sauber machen (jaja, besser ist es …), wir machen uns bettfertig (dauert mit steigendem Alter irgendwie immer länger)

21.30 Uhr: Ich falle müde ins Bett

Meine Liebe wird mich überdauern

Der du meine Wege mit mir gehst,
Jede Laune meiner Wimper spürst,
Meine Schlechtigkeiten duldest und verstehst –
Weißt du wohl, wie heiß du oft mich rührst?

Wenn ich tot bin, darfst du gar nicht trauern.
Meine Liebe wird mich überdauern
Und in fremden Kleidern dir begegnen
Und dich segnen.

Lebe, lache gut!
Mache deine Sache gut!

–  Joachim Ringelnatz

Habe ich in diesem Witwer-Blog heute zum ersten mal gelesen.