6 Monate

Heute vor sechs Monaten starb Michael. Ein halbes Jahr ohne ihn. Kein Tag, an dem ich seitdem nicht an ihn gedacht habe.

Ich habe den Verwaltungskram fast vollständig erledigt. Den Rest (Steuer 2014, ja, bin spät dran, ich weiß) mache ich in den kommenden Tagen. Nach knapp sechs Monaten haben wir auch endlich den Bescheid zur Witwen- und Waisenrente bekommen. Das Ergebnis kannte ich ja schon. Ich bekomme keine Witwenrente, weil ich zu viel verdiene. Sohn bekommt eine kleine Waisenrente. Keine Überraschung an dieser Stelle. Ich habe Glück gehabt, dass ich bereits einen Vollzeit-Job habe. Hätte ich in Teilzeit gearbeitet – wie einige Mütter, die ich in der Trauergruppe kennengelernt habe – dann müsste ich mir zu allem Übel noch einen neuen Job suchen. So läuft es gerade ganz ok, auch weil wir in einer Eigentumswohnung leben. Müsste ich noch eine Miete alleine stemmen, müssten wir uns eine neue Wohnung suchen. Auch das habe ich schon in der Trauergruppe gehört. Alles zusätzliche Probleme, die man als Witwe nicht braucht.

Ich habe Michaels Sachen noch nicht aussortiert. D. h. doch, einen Teil der Schuhe habe ich weg gegeben. Aber der Großteil der Kleidung ist noch in den Schränken. Ein Projekt, das ich vielleicht über die Weihnachtstage angehe, wenn meine Eltern zu Besuch da sind. Die können mir dann helfen und mich trösten. Denn dann werden viele Tränen fließen. Das weiß ich jetzt schon.

Was hat sich noch verändert nach sechs Monaten? Ich kann mir grundsätzlich eine neue Beziehung vorstellen. Wie ich schon geschrieben habe: Ich bin zu jung, um für den Rest meines Lebens alleine zu bleiben. Darauf habe ich auch gar keine Lust. Sohn wird in spätestens 6 Jahren ausziehen (so der Plan). Und dann? Sitze ich alleine in einer großen Wohnung? Das möchte ich auf keinen Fall. Und das hätte Michael auch nicht gewollt. Ich spreche oft mit ihm, entweder am Grab oder wenn ich abends im Bett liege. Dann frage ich ihn nach seiner Meinung und horche in mich hinein. Er will, dass es mir gut geht und dass ich die Kraft habe, mich um Sohn zu kümmern. Woher ich diese Kraft nehme, ist meine Sache. Sollte jemand meinen, dass es zu früh für mich ist, an eine neue Beziehung zu denken, dann kann ich nur sagen: Pech. Das interessiert mich nicht.

Ein halbes Jahr ist vorbei. Das längste halbe Jahr meines Lebens. Sohn und ich haben uns verändert. Wir sind nicht mehr die, die wir waren. Unser Leben ist nicht mehr wie es war. Wir haben eine Zäsur hinter uns und den Rest unseres Lebens vor uns. Ein Leben ohne Michael.