Tod & neue Liebe

Abgesehen davon, dass ich meine Umgebung mit meiner neuen Liebe so kurz nach dem Tod meines Mannes geschockt habe, habe ich mich selbst oft gefragt, ob ich mich umgekehrt überhaupt auf so eine Beziehung eingelassen hätte.

Mein Mann und ich haben uns nicht im Bösen getrennt. Im Gegenteil: Wir wurden in einer sehr glücklichen Phase unserer Beziehung plötzlich auseinandergerissen. Wenn zu Hause von Michael die Rede ist, dann immer liebevoll, sehnsüchtig, oft auch traurig. Wie muss sich das für den neuen Partner anfühlen?

In den vergangenen Wochen hatten wir ab und an die Situation, dass wir zusammen unterwegs waren und plötzlich erinnerte etwas an Michael. Entweder der Ort, an dem wir waren, Dinge die wir gegessen oder getrunken haben oder ein Musikstück im Radio. Von jetzt auf gleich ändert sich dann bei Sohn und mir die Stimmung. Wir werden traurig, weinen manchmal und nehmen uns in den Arm. Diese Momente sind weder steuerbar noch vorhersehbar. Sie kommen aus dem Nichts.

Mein Freund macht instinktiv alles richtig. Er gibt uns Zeit traurig zu sein, egal ob zu Hause oder im Restaurant. Er versucht an keiner Stelle meinen Mann zu ersetzen, was natürlich auch nicht funktionieren würde. Er hört zu und interessiert sich für den Mensch, der mein Mann war. Er interessiert sich dafür wie es Sohn und mir geht. Und bleibt doch er selbst.

Ich glaube, nur so kann es funkionieren. Mit viel Verständnis, Toleranz und vor allem: Liebe.

 

 

9 Monate

Morgen sind es 9 Monate seit Michaels Tod. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an ihn denke oder mit unserem Sohn über ihn spreche. Er ist noch sehr gegenwärtig.

Ich habe in den letzten zwei Wochen viel erledigt: Ich habe seine gesamte Platten- und CD-Sammlung an zwei sehr enge Freunde verschenkt. Das Equipment seines  Musikstudios, das er sich zu Hause eingerichtet hatte, hat ein Freund bekommen, mit dem er in einer Band gespielt hat. Seine Kleidung und Schuhe sind aussortiert und an gute Stellen verteilt worden. Eine Chili-Sammlung samt Kochbuch habe ich an einen Freund verschenkt. Ebenso Pizzastein und Pizzaschaufel. Das alles war Michaels Metier, nicht meines.

Der Speicher wurde ausgemistet. Eigentlich wollten Michael und ich das bereits seit Jahren angehen, aber so richtig konnten wir uns nicht überwinden. Bequemlichkeit halt. Jetzt habe ich einfach ein Entrümpelungsunternehmen bestellt und der Speicher ist fast leer.

Die Wohnung hat sich verändert. Was auch daran liegt, dass mein Freund zu uns gezogen ist. Auch hier der Hinweis: Wem das zu schnell erscheint …, das interessiert mich nicht. Mein Leben, meine Entscheidung. Einzig mit meinem Sohn bespreche ich mich.

Wir lachen viel. Mit wir meine ich uns drei: Sohn, meinen Freund, mich. Dennoch ist Michael weiterhin anwesend. Im Bild, im Gespräch. Gar nicht dominierend  und immer traurig, eher im Sinne von: Was hätte Papi wohl dazu gesagt? Oder: Papi würde jetzt diesen oder jenen Spruch bringen.

Ich habe endlich einen Grabstein in Auftrag gegeben. Es wird noch bis zum Frühling dauern, bis er steht. Aber ich bin froh, einen Stein gefunden zu haben, der uns gefällt. Sohn und ich haben ihn ausgesucht und auch die Beschriftung bestimmt.

Es gibt immer wieder Momente, in denen ich geradezu körperlich spüre, wie sehr mir Michael fehlt. Ich weiß noch genau, wie er sich anfühlte, seine Hände, seine Haare, sein drei-Tage-Bart. Es sind erst 9 Monate vergangen. Es sind schon 9 Monate vergangen.

Urlaub zu zweit

Freitag war schulfrei. Hamburger Zeugnisferien. Sohn und ich sind morgens nach London geflogen. Die Reise war ein Geschenk von seiner Tante und mir zu Weihnachten. Anfangs war Sohn alles andere als begeistert: Sightseeing. Wie langweilig. Alles schon aus dem Englisch-Unterricht bekannt. Können wir nicht was anderes machen? Ich dachte er freut sich und dann so was.

Dennoch: Einen Tag vor Abreise stellte sich so etwas wie Vorfreude ein. Und Aufregung. Bei uns beiden. Freitag morgens ging es dann zum Flughafen. In London angekommen war Sohn bereits von der U-Bahn begeistert. Man sitzt sich in langen Reihen gegenüber. Toll! Im Hotel gab es unerwarteterweise ein Upgrade: Großes Zimmer mit Blick über London in Knightsbridge. Sohn setzte sich ans Fenster und blickte über Londons Dächer.

Natürlich haben wir trotzdem Sightseeing gemacht, aber ganz wenig. Buckingham Palace, Westminster Abbey, Big Ben, Victoria & Albert Museum. Das war kurz und ok. Viel besser waren aber der Besuch von London Bridge Experience und ein Straßenkünstler vor Harrods, der Sohn spontan in seine Performance eingebunden hat.

Wir sind zusammen schick essen gegangen: indisches Restaurant, riesige Halle, Piano-Spieler vor einem Kamin, viele Kellner im Anzug. Wir sind zusammen Fastfood essen gegangen: McD und KFC. Wir hatten Afternoon Tea mit Scones, Sahne und Marmelade. Abends durfte er mal von meinem Bier nippen.

Wir haben viel geredet. Über Michael, über uns, über meinen neuen Freund. Wir haben  viel gelacht und viel gekuschelt. Als wir gestern Abend spät landeten, waren wir uns einig: toller Kurzurlaub. Machen wir jetzt jedes Jahr. Nur wir zwei.