Sommerferien

Die zweiten Sommerferien ohne Michael. Das zweite Zeugnis für Sohn ohne seinen Vater. Vor einem Jahr war ich alleine in Hamburg. Sohn war mit Freunden insgesamt vier Wochen unterwegs. Ich wollte, dass er so viel Ablenkung wie möglich hat. Hinterher hat er mir gesagt, dass er auch gerne ein paar Tage in Hamburg verbracht hätte. Aber ich war damals mit Arbeit und Haushalt am Limit und froh, dass Sohn zumindest etwas anderes sieht und nicht in dieser Trauerwohnung bleiben musste.

Dieses Jahr ist es genau das Gegenteil. Wir verbringen fast die gesamte Zeit zusammen. Ich hatte ihm angeboten, meine Eltern in München zusammen mit einem Freund zu besuchen. Aber er möchte lieber in Hamburg bleiben. Die Geburt seiner Schwester steht bevor, er will sich mit Freunden treffen, die ebenfalls zu Hause bleiben, er will einfach „chillaxen“. Sohn ist aufgeregt und gleichzeitig sehr entspannt.

Sein Zeugnis war übrigens recht gut. Er hat sich seit Januar in einigen Fächern verbessert, darauf ist er stolz. Ich glaube, sein Vater wäre auch sehr stolz auf ihn.

Fünf Jahres Buch

Heute vor einem Jahr habe ich mit dem „Fünf Jahres Buch“ begonnen, das mir eine Freundin geschenkt hat. Im Gegensatz zu einem Tagebuch besteht es nicht aus leeren Seiten, sondern aus verschiedenen Fragen oder Themen, die jeden Tag gestellt bzw. behandelt werden. Das reicht von „Wie fühlst Du Dich heute“ und man kann verschiedene Antworten ankreuzen, über „Was hat für Glücksmomente in der letzten Woche gesorgt?“ bis hin zur Frage, wann man das letzte Mal im Kino gewesen ist.

Heute vor einem Jahr habe ich das Buch also angefangen und nun lese ich, wie es mir vor 12 Monaten ging (ich war gerade alleine in Hamburg, mein Sohn war mit Freunden in den Sommerferien), welche Gedanken mich bewegten, wie ich meine Zukunft sah. Ich mochte schon immer Tagebücher, aber diese Variante eines Erinnerungsbuchs war für mich so kurz nach Michaels Tod einfacher, da ich auch nur Dinge ankreuzen konnte, wenn ich mal keine Kraft hatte zu schreiben.

Das Buch gibt es übrigens hier: https://www.amazon.de/F%C3%BCnf-Jahres-Buch-Tage-Jahre/dp/B00C22MZES

 

 

Was würden die Nachbarn sagen?

Meine Patentante hat vor einem Jahr ihren Bruder verloren, das war wenige Wochen vor dem Tod meines Mannes. Der Bruder war sehr lange krank und am Ende war der Tod wohl auch eine Art Befreiung für ihn von jahrelangem Schmerz.

Seine Witwe, altersmäßig in den 60er Jahren, hat nun einen Mann kennengelernt, der ihr sehr gut gefällt. Aber sie traut sich nicht, sich auf eine neue Beziehung einzulassen. Sie wohnt in einem kleinen Dorf auf dem Land, wo jeder jeden kennt. Was könnten die Nachbarn sagen, wenn sie schon nach so kurzer Zeit wieder einen neuen Mann an ihrer Seite hätte? Sie zieht sich deshalb zurück.

Als ich das hörte wurde ich wütend. Wer gibt Menschen das Recht darüber zu urteilen, wann eine neue Beziehung richtig und wann falsch ist? Warum muss ich mir Gedanken machen, was die Nachbarn denken könnten? Oder Verwandte? Oder Freunde? Wer definiert denn den Zeitrahmen, innerhalb dessen getrauert wird. Und wer legt fest: So, jetzt darfst Du wieder am Leben teilnehmen, inklusive neuem Partner? Sollte es nicht vielmehr der allgemeine Wunsch sein, dass es dem Trauernden einfach wieder etwas besser geht?