Was würden die Nachbarn sagen?

Meine Patentante hat vor einem Jahr ihren Bruder verloren, das war wenige Wochen vor dem Tod meines Mannes. Der Bruder war sehr lange krank und am Ende war der Tod wohl auch eine Art Befreiung für ihn von jahrelangem Schmerz.

Seine Witwe, altersmäßig in den 60er Jahren, hat nun einen Mann kennengelernt, der ihr sehr gut gefällt. Aber sie traut sich nicht, sich auf eine neue Beziehung einzulassen. Sie wohnt in einem kleinen Dorf auf dem Land, wo jeder jeden kennt. Was könnten die Nachbarn sagen, wenn sie schon nach so kurzer Zeit wieder einen neuen Mann an ihrer Seite hätte? Sie zieht sich deshalb zurück.

Als ich das hörte wurde ich wütend. Wer gibt Menschen das Recht darüber zu urteilen, wann eine neue Beziehung richtig und wann falsch ist? Warum muss ich mir Gedanken machen, was die Nachbarn denken könnten? Oder Verwandte? Oder Freunde? Wer definiert denn den Zeitrahmen, innerhalb dessen getrauert wird. Und wer legt fest: So, jetzt darfst Du wieder am Leben teilnehmen, inklusive neuem Partner? Sollte es nicht vielmehr der allgemeine Wunsch sein, dass es dem Trauernden einfach wieder etwas besser geht?

2 Gedanken zu „Was würden die Nachbarn sagen?

  1. Maybel

    Hallo,

    solange sie sich über so etwas Gedanken macht, ist sie möglicherweise auch innerlich noch nicht wirklich bereit dazu.

    Das Gerede wird man nie verhindern können. Mein Mann ist seit 14 Monaten tot und ich bin immer wieder im Gespräch. Die einen finden es entsetzlich, dass ich noch alleine bin. Die anderen vermuten irgendwelche nicht existenten Beziehungen und finden das ganz schrecklich. Dagegen gibt es nur ein Mittel: genug Selbstbewusstsein, um darüber stehen zu können.

    Verständnis und Rücksichtnahme erwarte ich nicht, bin aber im Gegenzug bei diesen Personen auch nicht bereit, bei irgendetwas verständnis- und rücksichtsvoll zu sein.

    Liebe Grüße und einen schönen Abend.

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  2. W.

    Da habe ich es als Mann wohl einfacher. Meine Frau ist seit 16 Monaten tot und ich bin nicht „im Gespräch“, oder – ich weiß es einfach nicht, wenn man über mich redet. Es ist mir sowieso egal. Seit dem Tod meiner Frau ist mir inzwischen vieles egal. Und: eine „Neue“ wird ’s nicht geben. Ich habe meine Frau im Herzen. Das kapieren die „einen“ und die „anderen“ sowieso nicht. Da muss immer irgendwas „gehen“ und muss immer was zum Tratschen da sein…

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