Nicht vorbereitet

Wir sind gerade im Sommerurlaub. In den letzten Wochen in Hamburg hatte ich ein Erlebnis, auf das ich nicht vorbereitet war. Unsere Firma hat einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht. Bei den meisten Kollegen lag der erste (und letzte) Kurs schon Jahrzehnte zurück – bei mir knapp 30 Jahre. Eine Auffrischung war durchaus sinnvoll.

Heutzutage werden in diesen Kursen vom Roten Kreuz viele, sehr gut gemachte Filme gezeigt. Fast immer geht es darum, dass jemand in Not gerät oder plötzlich eine Erkrankung hat und stirbt (ergo: Mach erste Hilfe, Du kannst Leben retten). Fast immer ist es der Mann, dem es plötzlich schlechter geht und die Frau muss schnell Hilfe organisieren. Zumindest in diesen Filmen.

Nach 15 Minuten habe ich das erste Mal geweint und musste den Raum verlassen. Mich hat diese hoch emotionale Ansprache in den Filmen kalt erwischt und total überfordert. Vor 30 Jahren sahen diese Kurse wirklich noch anders aus. Aber auf einmal sehe ich eine Frau, die ihren sterbenden Mann im Arm hält und ich denke an Michael und mich. Da war es vorbei.

Mir war es peinlich, vor den Kollegen, vor dem Rot-Kreuz-Mitarbeiter, vor mir selbst, weil ich mich nicht „im Griff“ hatte.

Aber ich habe wieder was gelernt und beschlossen: Es wird immer Situationen geben, die mich kalt erwischen. Dann weine ich halt vor anderen, ist mir sche… egal.

PS. Meine Kollegen und der Rot-Kreuz-Mann waren sehr verständnisvoll.

Liebe

Heute Morgen saßen mir meine beiden Kinder am Tisch gegenüber und schmusten miteinander. Meine Tochter umarmte ihren Bruder und sagte immer wieder „Mein Budaaa, mein Budaa“. Mein Sohn hielt sie dabei fest im Arm und gab ihr Küschen auf die Wange. Die beiden lieben sich sehr. Ich bin froh zu wissen, dass mein Sohn später einmal nicht alleine sein wird, wenn es mich nicht mehr gibt. Er hat seine Schwester und sie hat ihn.

Es gibt ja immer noch Menschen, Freunde und Familie, aus meinem früheren Leben, die mich wegen meiner neuen Beziehung verurteilen und den Kontakt zu uns abgebrochen haben. Die meinen jetzigen Mann unmöglich finden, zu alt, zu arrogant, zu irgendwas. Die es verantwortungslos finden, dass wir in unserem Alter noch ein Kind bekommen haben. Die glauben, sich moralisch über mich erheben zu müssen, mein Leben be- und verurteilen können, weil sie mir in meiner schwersten Zeit mehr oder weniger zur Seite standen.

Dazu möchte ich sagen: In mein Leben und in das Leben meines Sohnes ist die Liebe zurückgekehrt. Weil ich es zugelassen habe. Weil mein Sohn es zugelassen hat. So etwas kann man nicht erzwingen. Es passiert einfach. Diese Liebe war unsere Rettung und sie ist es immer noch.