Es war schön

Das Familientreffen war nicht schlimm. Im Gegenteil, es war sehr schön. Ich habe nur einmal gehört „Das Leben muss weitergehen“. Von einem 91-jährigen Gast, der mir das auch gerne sagen darf. Ansonsten wurden mein Sohn und ich mit viel Liebe empfangen.

Am Tag zuvor habe ich durch Zufall einen Freund meines Mannes getroffen, der sich seit der Beerdigung nicht mehr bei mir gemeldet hatte. Er war komplett unsicher, ich hatte das Gefühl, er wäre am liebsten sofort weitergegangen. Ich habe ihn aber nicht gelassen, sondern stattdessen ein Gespräch angefangen und mich nach seinem jüngsten Kind erkundigt. Da war er auf sicherem Terrain und nach fünf Minuten war seine Unsicherheit auch weg und wir saßen eine Stunde zusammen und haben sehr schön miteinander geredet.

Gestern waren wir mit Freunden am Grab meines Mannes. Das Wetter war schön, wir hatten Champagner, Gin Tonic und Kuchen dabei und haben eine Art Picknick gemacht. Wir reden über meinen Mann und kommen für ihn zusammen. Das finde ich sehr schön und berührend. Ich sehe, wie vielen Menschen er fehlt. Ich ahne, dass es mehr Menschen sind als ich mitbekomme.

Vom Wochenende habe ich mitgenommen: Ich sollte nicht so hart über die Verwandten und Freunde meines Mannes urteilen, die sich zurückziehen. Alle trauern auf ihre Art. Ich gehe offen damit um und spreche viel darüber. Hier schreibe ich ja auch darüber. Andere Menschen können das eben nicht. Das muss ich akzeptieren.

Freunde

In der Trauergruppe ging es gestern u. a. auch um das Thema „Freunde“. Fast alle aus der Gruppe hatten ein und dasselbe Erlebnis: Es gibt Freunde, die verschwinden plötzlich. Als seien sie ebenfalls gestorben. Einige melden sich wieder, manchmal nach Monaten oder Jahren. Andere bleiben für immer weg.

Ich habe ja auch schon mal davon berichtet, dass sich einige Freunde meines Mannes seit seiner Beerdigung nicht mehr bei mir gemeldet haben. Und mir geht es wie meinen „Mitstreitern“ in der Trauergruppe: Ich bin verletzt. Zu dem Schmerz, den der Alltag ohne Mann für mich täglich bereit hält, kommt auch der Schmerz um den Verlust dieser Freunde. Dabei geht es mir nicht um mich, sondern vielmehr um meinen Sohn. Warum wollen sie nicht mal wissen, wie es ihm geht? In ihm lebt immerhin ein Teil ihres verstorbenen Freundes weiter.

Ich bin auf diese Freunde ziemlich sauer. Selbst wer Sorge hat, was Falsches zu sagen und sich deshalb erst gar nicht meldet: Ich kann nur sagen, lieber etwas Falsches sagen als gar nichts.

Es bringt auch gar nichts, darauf zu warten, dass ich mich einmal melden werde. So nach dem Motto „Wenn sie so weit ist, wird sie sich schon rühren“. Nein, wird sie nicht. Bis ich wieder die Kraft habe, aktiv auf Menschen zuzugehen, bis dahin ist der Zug abgefahren. Allein schon meine engsten Freunde um Hilfe zu bitten kostet mich unendlich viel Kraft. Ich weiß nicht warum, vielleicht aus der Furcht „jammerig“ zu wirken oder den anderen auf den Geist zu gehen, schließlich haben sie schon so viel für mich getan. Ich habe auch eine gewisse „ist-doch-egal“ Haltung angenommen. Dann kann ich halt zu Hause nicht drucken, weil ich nicht weiß wie das mit dem neuen Wlan funktioniert. Drucke ich eben woanders oder schreibe die Briefe von Hand. Mir ist gerade vieles egal.

Mein Rat an alle, die nicht wissen wie man mit jemandem umgeht, der seinen Partner verloren hat: Seid aktiv, kommt unangemeldet vorbei, bringt Essen mit oder was zu trinken (denn Einkaufen hat gerade keine Priorität), fragt in unregelmäßigen Abständen nach, ob euer Freund Lust hat, sich mit euch zu treffen oder einen Spaziergang zu machen oder sonst irgendwas. Lockt die Trauernden aus ihrer Höhle. Aber lasst sich nicht einfach alleine, weil ihr euch unsicher fühlt.

Ich habe das unglaubliche Glück, dass aktuell immer genügend Menschen in meiner Umgebung sind, die sich instinktiv so verhalten, dass es mir gut tut. Da fallen die anderen nicht mehr so stark ins Gewicht, aber ich denke trotzdem oft an sie. Und daran wie mein Mann das gefunden hätte.