Nun sind 10 Jahre vergangen, seit Michael gestorben ist. Ich hatte Angst vor diesem speziellen „Jahrestag“. Mein Mann Mathias sagt, dass ich mich bereits vier Wochen vorher in einer Art Ausnahmezustand befinde. Ich merke das gar nicht mehr so richtig. Aber anscheinend reagiere ich in dieser Zeit immer besonders empfindlich. Ich habe darüber nachgedacht wie sehr sich unser Familienleben verändert hat seit Michaels Tod. Wie sehr sich mein Freundeskreis verändert hat, meine Sicht auf die Menschen. Ich habe Menschen von ihrer hässlichsten Seite kennengelernt, aber auch von ihrer besten Seite. Mich berührt es, wenn Michaels Freunde mir schreiben, dass sie in bestimmten Situationen an ihn denken, dass er in Gedanken immer dabei ist. Ich bin fasziniert davon wie sehr unser Sohn seinem Vater ähnelt. Es gibt Bilder von Carl, da denke ich beim ersten Blick es ist sein Vater, der dort steht. So viel Ähnlichkeit.
An Michaels 10. Todestag war ich wie in Trance, es ist wie ein Film der abläuft, denn ich denke immer an diesen 13. Mai 2015 zurück, was wann passiert ist. Ich lese Mails aus dieser Zeit. Das ist nicht aufbauend, aber irgendwie brauche ich das. Ich möchte eintauchen in diesen letzten Tag, um nichts zu vergessen. Um Michael nicht zu vergessen. Erst recht nicht nach 10 Jahren. Eine merkwürdige Angst, aber es sind kleine Details, die Art wie er gesprochen hat, sein besonderer Humor, das möchte ich festhalten.
Was kann ich sagen, nach 10 Jahren? Wer meint, es ist nun alles gut und ich habe endlich alles „verarbeitet“ (mein liebstes Hasswort), den muss ich enttäuschen. Die Trauer hat sich verändert, aber sie ist und bleibt Teil meines Lebens. Dennoch habe ich ein sehr schönes Leben. Vor kurzem habe ich einen Podcast gehört mit einer Frau, die bei einem Unfall ihre beiden Kinder und ihren Mann verloren hat. Sie wurde gefragt, ob sie oft an ihren eigenen Tod denke, was sie bejaht hat. Ich habe festgestellt, dass ich überhaupt nicht über meinen Tod nachdenke. Ich habe ein Testament gemacht, das ja. Aber seit Michaels Tod konzentriere ich mich auf das Leben, eben weil ich es noch kann. „Lebe Dein bestes Leben jetzt“ war das Motto von Michaels Trauerfeier. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.


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