Wir haben unsere Selbsthilfe- oder auch Trauergruppen besucht.
Am Sonntag war ich als erste dran. Das Treffen fand in einer Art sozialer Einrichtung im Westen Hamburgs statt. Wir waren 11 Witwen und Witwer im Alter von ca. 35-60 Jahre. Ich war die „neueste“ Witwe, die anderen sind schon etwas länger dabei. Wir saßen im Kreis und nach und nach haben alle erzählt wie sie heißen, warum sie hier sind, wir lange der Partner/die Partnerin schon tot sind, ob sie Kinder haben und wie es ihnen gerade geht.
Als ich dran war, musste ich sofort weinen. Das ist eigentlich nicht meine Art, sonst bin ich eher der Typ „Zähne zusammenbeißen und weitermachen“. In dieser Gruppe darf ich aber weinen. Ich darf jammern und kann über Themen sprechen, die für Außenstehende einfach schwer zu begreifen sind. Wie auch. Ich hätte vor zwei Monaten auch noch keine Ahnung gehabt, dass Stimmungsschwankungen normal sind. Oder dass das Gefühl der totalen Lähmung eben dazu gehören kann. Dieses Gefühl verstanden zu werden hat etwas sehr befreiendes. Als Gruppe sind wir total unterschiedlich, eine Teilnehmerin hat es so schön formuliert: Im Leben „draußen“ hätten wir uns wahrscheinlich nie kennengelernt. Aber im geschützten Raum der Trauergruppe gehören wir zusammen. Ich werde auf jeden Fall wieder hingehen.
Gestern war nun mein Sohn in „seiner“ Trauergruppe. Das Vorgespräch mit einer der Therapeutinnen aus dem Institut fand er doof. Die Frau war ihm nicht sympathisch. Er meinte, sie würde eine Art Standardprogramm abspielen, das mochte er nicht. Ich habe ihn trotzdem gezwungen, die Gruppe kennenzulernen. Zumal dort auch andere Therapeutinnen sind. Ich glaube, es war ok für ihn. Zumindest hat er gesagt, dass er beim nächsten Mal wieder dabei sein wird. Dann sind sowieso Sommerferien und im Herbst können wir dann schauen, ob er weitermacht oder nicht. Die Kinder in der Gruppe sind für seinen Geschmack zu jung.
Gestern hat er nicht mehr viel von der Gruppe erzählt, aber heute morgen kurz beim Frühstück. Fast alle Kinder, bis auf eine Ausnahme, haben den Papi verloren. Die Mutter eines Jungen ist aktuell in der Psychiatrie, er wohnt bei den Großeltern. Das hat meinen Sohn bewegt. Auch die Tatsache, dass der verstorbene Vater eines anderen Kindes ebenfalls Michael hieß. So wie sein Vater. Ich glaube, es tut ihm gut dort hin zu gehen. Immerhin habe ich auch eine „Belohnung“ für ihn. Für jeden Besuch in der Trauergruppe bekommt er eine professionelle Massage spendiert.