Wütend

Ich vergesse manchmal, dass ich bei bestimmten Themen doch noch dünnhäutig bin. Gestern war ich in einem Kinderladen, in dem ich schon für meinen Sohn eingekauft habe. Ich kenne die Besitzerin seit 14 Jahren und sie hat sich sehr gefreut, als ich mit meiner kleinen Tochter zu ihr in den Laden kam. Wir haben uns über die vergangenen zwei Jahre unterhalten, sie hat viele Fragen gestellt und es war ein sehr offenes und schönes Gespräch.

Nach einigen Minuten kam eine weitere Kundin in den Laden, die die Besitzerin gut zu kennen schien und die beiden fingen ein Gespräch über einen gemeinsamen Bekannten an, der seit kurzem mit einer verwitweten Frau zusammen ist, deren Mann 6 Monate zuvor gestorben war. Ich gebe zu, ich habe die Ohren gespitzt während ich Kleider für meine Tochter suchte.

Die beiden Frauen fanden diese neue Freundin sehr schwierig, da sie anscheinend viel trinkt und dann über ihren verstorbenen Mann, die Liebe ihres Lebens, erzählt. Das alles in Gegenwart des neuen Freundes, der eine Kneipe hat, wo die Frau am Tresen sitzt, oft nicht nüchtern. Und natürlich kam, was kommen musste: Die andere Kundin meinte „Also wenn mein Mann sterben würde, naja, nach 6 Monaten schon wieder einen neuen Freund zu haben, schon komisch irgendwie. Und in der Kneipe sitzen und trinken. Aber er hatte ja schon immer eine Art Helfersyndrom. Was er sich da ans Bein bindet.“

Da konnte ich nicht mehr still sein, weil ich richtig wütend wurde. Natürlich finde ich es auch unschön, wenn Leute im angetrunkenen Zustand lauter werden, Geschichten erzählen, schreien, vielleicht weinen. Aber andererseits scheint das eben die Art dieser Frau zu sein, die Trauer um ihren Mann zu verarbeiten, trotz neuem Freund. Das ist nicht unbedingt angenehm für die Umgebung. Aber wer es nicht selbst erlebt hat, kann es sich wirklich nicht vorstellen – und meiner Meinung nach auch kein Urteil erlauben. Das habe ich dann auch so gesagt. Die Ladenbesitzerin sagte: „Klar, Du hast das ja auch gerade erlebt, aber bei Dir ist es wirklich etwas anderes.“

Das liegt im Auge des Betrachters würde ich sagen …

Ich verstehe die Sorge um den Freund. Aber statt schlecht über seine neue Freundin zu sprechen, sollten sie lieber direkt mit ihm reden und ihm Unterstützung anbieten.

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