Ich habe mich oft gefragt woran es liegt, dass sich ehemalige Freunde nach Michaels Tod auf einmal überhaupt nicht mehr gemeldet haben. Dabei bin ich zu dem Schluss gekommen: Es liegt an mir, an meiner neuen Beziehung, die abgelehnt wird, an meinem zweiten Kind, das ich noch im hohen Alter (der Vater ist noch älter) bekommen habe. Das überfordert viele Menschen bzw. sorgt schlicht für Wut.
Nun habe ich von meiner Freundin, die sich ebenfalls zwei Jahre zurückgezogen hatte (ich habe in meinem letzten Beitrag kurz dazu geschrieben), erfahren, es würde vor allem daran liegen, dass sich diese Freunde um unseren Sohn Sorgen gemacht hätten. Das kann ich zum Teil gut nachvollziehen. Mein Sohn hat in diesem ersten Jahr nach dem Tod seines Papas unglaubliche Veränderungen in seinem Leben akzeptiert.
Was ich aber nicht verstehe: Wenn man sich Sorgen macht, dann sucht man doch erst recht den Kontakt, um zu sehen, wie es unserem Sohn geht? Aber genau das Gegenteil ist passiert, als ob mit Michael auch unser Sohn gestorben ist. Ich habe noch die Worte von einigen Menschen im Ohr: „Was auch immer passiert, Du weißt, dass wir für Dich und Deinen Sohn da sind.“ „Ich kümmere mich um euren Sohn, den Vater kann ich nicht ersetzen, aber ich kann Männersachen mit ihm machen.“ Danach haben wir noch einmal etwas voneinander gehört und dann war mit dem Eintritt meines neuen Partners sofort Schluss.
Stattdessen wurde hinter unserem Rücken wild spekuliert, was wohl alles in meinem Sohn vorgehen wird. Was ich ihm mit meinen Entscheidungen alles antue. Ich weiß von anderen Witwen und Witwern, dass sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben.
Meine Bitte: Nicht die Wut oder das Unverständnis indirekt an den hinterbliebenen Kindern auslassen. Sie können nichts dafür (ach was), aber sie bekommen alles mit, vor allem wenn sie älter sind. Im Zweifel, einfach direkt ansprechen, das ist tausendmal besser als ein kompletter Abbruch der Beziehungen. Und ich bin fest überzeugt, dass es auch im Interesse des verstorbenen Freundes/der verstorbenen Freundin ist.
Ini_z
Uns ging es wie euch. 95% der „Freunde“, die uns auf der Beerdigung versicherten, immer für uns da zu sein – vor allem auch für meinen Sohn – haben sich danach nie wieder gemeldet. Darunter viele, die wir zuvor stets regelmässig, oft wöchenlich trafen. Auf die Frage meines Sohnes, warum wir gemieden werden, hatte ich keine Antwort. Es ist vermutlich persönliche Feigheit, Ignoranz und fehlende Empathie. Ich muss es nicht verstehen, habe das aber akzeptiert. Es trennt sich eben in so einem Katastrophenfall die Spreu vom Weizen. Bei uns war das eine handvoll Freunde, die Familie, unsere Nachbarn – und ein Freund meines Mannes, den ich zuvor kaum kannte, der uns dann aber stets mit Rat und Tat unterstützend zur Seite stand. Für diese Menschen war und bin ich sehr sehr dankbar. Der Rest kann mir heute – ehrlich gesagt – gestohlen bleiben.
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Nicole
Genauso ging und geht es uns auch.
Heute vor zwei Jahren war meine Welt und die meiner Tochter noch in Ordnung. Morgen jährt sich der Todestag meines Mannes zum 2. Mal. Ohne Vorwarnung ist er mit 42 Jahren an seinem Arbeitsplatz tot umgefallen. Plötzlicher Herztod. Es gab keine Rettung.
Ich Witwe mit 40! Stand plötzlich mit Haus, meiner Tochter, Schulden und allem Drum und Dran alleine da.
Wir waren 24 Jahre ein glückliches Paar.
Bei der Beerdigung waren so viele Leute. Er hätte selbst gestaunt, wer alles an ihn dachte. Und so Viele haben mir gesagt „Wenn du Hilfe brauchst, wir sind immer für euch da…“
Na schön. DA war wirklich niemand. Nur wenn ich nachgefragt habe und das war mir dann irgendwann auch zu blöd.
Bei einer Freundin hatte ich eher das Gefühl, dass sie ihre Sensationsgier befriedigen wollte um dann alles auszutratschen. Nachdem sie alles wusste, habe ich sie monatelang nicht gesehen und sie wohnt 100 Meter entfernt. Eine andere hat mir sogar ein paar Wochen später „Fröhliche Weihnachten“ gewünscht. Da ist man einfach fassungslos! Auf solche Leute kann man echt verzichten!
Geholfen hat mir aus dem „alten“ Freundeskreis keiner. Sie waren wahrscheinlich selbst so sehr betroffen aber was sollte ich da sagen…? Es wurde gefühlt ein Bogen um uns gemacht.
Meiner Tochter ging es ähnlich. Klar, in dem Alter (damals 16) konnten die Freundinnen nicht nachvollziehen, wie es ihr ging. Zumal andere Eltern in Trennung lebten und eine ihren Vater sogar „hasst“. Sie wurde kurz darauf gefragt, ob es jetzt wieder geht. In dem Alter kann ich Einiges verzeihen. Meine Tochter sah das natürlich anders.
Die Krönung war dann, als in der damaligen Klasse in der Pause von einer Dumpfbacke gegrölt wurde „Ich wäre froh, wenn mein Alter endlich krepiert!“ Sie hat das Schuljahr abgebrochen und freiwillig wiederholt. Durch den unerwarteten Tod ihres geliebten, lustigen Papas wurde sie komplett aus der Bahn geworfen, hatte schwere psychosomatische Probleme, war wortwörtlich gelähmt vor Schmerz und konnte sich oft nicht bewegen. Die Klasse zu wiederholen war eine gute Entscheidung und sie ist auf einem sehr guten Weg. Ist schnell erwachsen geworden und ich bin sehr stolz auf sie. Momentan blüht sie richtig auf und ich hoffe, es geht so weiter.
Wie aus heiterem Himmel meldete sich ein Freund aus „alten Zeiten“, der meinen Mann auch kannte und mit dem ich absolut nicht gerechnet habe. Er war sehr betroffen und hat uns mit seiner Familie sehr aufgefangen. War immer für mich und meine Tochter da. Durch ihn habe ich nun einen komplett neuen Freundeskreis. Das tat und tut so gut. Wir haben viel zusammen unternommen und ich bin unendlich dankbar.
Nach zwei Jahren kann ich zum Glück sagen, dass es uns wieder ganz gut geht. Mein Mann ist immer präsent. Ich lebe intensiver als vorher. Manchmal denke ich, ich lebe für ihn mit. Bin ein anderer Mensch geworden.
Nach elf Monaten habe ich einen ganz tollen Mann kennen- und liebengelernt. Anfangs war ich unsicher, ob ich das schon kann aber ich kann es manchmal immer noch nicht fassen… ja, wir sind sehr glücklich! Ich hätte nie, nie im Leben daran gedacht, dass ich noch einmal so empfinden kann. Hätte jeden für verrückt erklärt, der mir das vorrausgesagt hätte. Es ist wie zwei Leben. Zwei schöne. Dazwischen mit einem ganz tiefen Tal.
Nun habe ich unser Haus vermietet und ziehe zu meinem Freund. Ich glaube, wir haben das Schlimmste geschafft. Meine Tochter ist nun gerade 18 geworden, macht ihre Fachhochschulreife und auch sonst scheint sich alles zum Guten zu wenden. Auch wenn nicht immer alles einfach ist. Aber ich bin optimistisch. Wichtig ist, was man daraus macht.
Ich habe immer wieder in den letzten zwei Jahren auf dieser Seite mitgelesen, weil es mir ähnlich ging. Und es hat mich aufgebaut. Es hat mir gezeigt, dass es mir nicht alleine so geht und dass es auch wieder hell werden kann. Vielleicht macht meine Geschichte auch anderen Mut.
Danke, Fichlein, Fischlein…
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mucinhh
Liebe Nicole,
danke, dass Du Deine Geschichte hier geteilt hast. Mir hilft es auch immer, wenn ich lese, dass es anderen Witwen ähnlich wie mir ergangen ist. Dann fühle ich mich ein Stück „normaler“. Zwischendurch habe ich nämlich immer noch das Gefühl, vor Wut zu platzen, wenn ich an bestimmte Dinge denke, die meinen Sohn betreffen. Und dann wundere ich mich über meine Gedanken und finde, ich müsste eigentlich schon viel gelassener sein. Bin ich aber nicht…
Es freut mich, dass Du und Deine Tochter auf einem guten Weg seid. Ich bin sicher, dass Deine Geschichte auch anderen Mitlesern Mut macht. Wir müssen weiterleben, wir haben keine andere Wahl. Und ich finde auch, wir sollten immer versuchen, das Beste aus diesem Leben zu machen.
Herzliche Grüße aus Hamburg
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