In zwei Wochen startet meine Tochter in ihrer neuen Kita. Sie kommt in die Gruppe, in der vor 15 Jahren auch ihr großer Bruder war. Als ich die Kita zum ersten Mal nach Michaels Tod mit meiner Babytochter im Arm betrat, hatte ich das Gefühl eine Zeitreise gemacht zu haben. Es sah aus wie früher und die Erzieherinnen von damals waren auch noch da. Ich ließ meine Tochter auf die Warteliste setzen und machte dann einen Besuch in Carls alter Gruppe.
Dort war das Erstaunen groß als sie meine Tochter und mich sahen. Eine der Erzieherinnen hatte Tränen in den Augen und meinte: „Frau Emmermann, das kann doch nicht wahr sein? Wie schön! Kommt ihre Tochter auch zu uns?“ Diese Erzieherin war damals auch auf Michaels Trauerfeier, sie hatte in der Zeitung die Todesanzeige gesehen. Nun also wird auch meine Tochter dort sein. Ihre Bezugsperson ist eben jene Erzieherin. Sie sagte zu mir: „Als die neuen Kinder vorgestellt wurden, habe ich gleich gesagt, dass ich Ihre Tochter als Bezugskind haben möchte.“
Wir haben vor wenigen Wochen den Vertrag abgegeben. Carl war dabei und während ich im Büro der Kita-Leitung war, war Carl mit seiner kleinen Schwester in der Gruppe, um „Hallo“ zu sagen. Hinterher kam die Erzieherin zu mir: „Er sieht immer mehr aus wie sein Vater. Er spricht auch wie er. Die Ähnlichkeit ist wirklich frappierend.“ Michael war sehr beliebt dort, denn er war wirklich immer freundlich zu allen und hatte einen lustigen Spruch auf den Lippen.
Tja, in drei Wochen gehe ich also wieder alte Wege. Schiebe einen Kinderwagen oder schleppe ein Laufrad entlang der selben Straße. Hänge Kleidung an exakt den selben Haken mit dem Luftballon. Sehe die selben Gesichter. Und doch ist alles anders.