Endlich, ich habe die Steuer 2014 hinter mich gebracht. War gar nicht so schlimm wie befürchtet, denn Michael hatte schon recht viel vorsortiert.
Während ich Belege aus dem Jahr 2014 geheftet und geklebt habe, habe ich viel geweint. Erinnerungen an unser letztes Jahr kamen hoch, ich bin das komplette Jahr in Gedanken durchgegangen. Und ich fasse es teilweise immer noch nicht, dass er nicht mehr da ist und auch nie wieder da sein wird.
Das letzte Wochenende war aber nicht nur von der Steuer bestimmt.
Am Samstagabend bin ich zu einem Gänseessen gegangen, das Kneipenfreunde meines Mannes einmal im Jahr veranstalten. Wir waren vor drei Jahren schon mal dabei, die letzten Male konnten wir aber immer nicht. Als nun die Einladung an mich kam habe ich keine Sekunde gezögert und sofort zugesagt.
Ich kannte vor Ort kaum jemanden und war etwas aufgeregt. Aber alle waren sehr herzlich zu mir. Ich wurde oft in den Arm genommen und ich hatte das Gefühl, die Leute sprechen auch normal mit mir. Es gibt ja Menschen, die in so einen komischen Tonfall verfallen, sobald sie hören, dass ich Witwe bin. Das macht mich total agressiv. Aber das war am Samstag zum Glück nicht der Fall. Sonst wäre ich nicht bis 1.00 Uhr geblieben …
Am Sonntag lag ich verkatert im Bett. Sohn war im Musik-Lager mit dem Chor und ich hatte das Wochenende für mich. Als ich meinen Kaffee trank und Musik hörte fiel mir plötzlich ein, dass ja an diesem Sonntag ein Gedenkgottesdienst in unserer Gemeinde stattfinden sollte, bei dem die Namen der verstorbenen Gemeindemitglieder aufgerufen werden. Und für alle sollte eine Kerze angezündet werden.
Ich bin losgesprintet und kam auch nur leicht verspätet in die Kirche. Ich habe mich auf den Platz gesetzt, auf dem wir zuletzt zwei Wochen vor Michaels Tod saßen bei einer Konfirmation. Ich saß dort und habe fast die ganze Zeit geweint. Als die Namen und das Alter vorgelesen wurden stellte ich fest, dass Michael der Jüngste war. Das älteste verstorbene Gemeindemitglied war 103 Jahre alt geworden. Das machte mir mal wieder bewusst wie jung mein Mann war als er starb.
Es ist gefühlsmäßig immer noch ein ständiges Auf und Ab. Schon weniger als noch vor drei Monaten. Aber immer noch sehr intensiv.