Mein Mann ist tot.

In den ersten Monaten nach Michaels Tod bin ich immer wieder Menschen begegnet, die nichts davon wussten. Meistens in meinem beruflichen Umfeld, aber auch privat, alte Bekannte, die ich länger nicht gehört und gesehen hatte. Und wie immer kam irgendwann die Frage: „Wie geht es Ihnen/Dir denn so? Wir haben uns ja schon lange nicht mehr gehört.“

Ich habe immer spontan entschieden, was ich anworte, abhängig davon, wie ich mich gerade fühle. Eine Begegnung ist mir seitdem besonders in Erinnerung. An meinem zweiten Arbeitstag nach Michaels Tod bekam ich einen Anruf im Büro und natürlich die unvermeindliche Frage (siehe oben). Meine Antwort: „Wissen Sie Herr XY, Sie haben gefragt wie es mir geht und ich antworte Ihnen jetzt einfach mal ehrlich. Es geht mir schlecht. Mein Mann ist vor vier Wochen überraschend gestorben und ich versuche gerade über die Arbeit so etwas wie Normalität herzustellen, obwohl ich davon weit entfernt bin.“

Das war natürlich nicht fair. Ich habe meinem Gesprächspartner die Nachricht einfach so vor den Latz geknallt. Aber ich konnte in dem Moment einfach nicht mehr anders. Und ich wollte auch, dass sich noch jemand schlecht fühlt. Seine Reaktion: „Frau XY, ich bin wirklich geschockt und weiß nicht, was ich sagen kann. Bitte erlauben Sie mir, dass ich mich später noch einmal bei Ihnen melde.“ Das hat er tatsächlich auch getan.

Wir sind ein paar Wochen später zusammen mittags essen gegangen und es war ein sehr einfühlsames Gespräch. Es hatte viel Menschliches und kam sehr unerwartet in diesem ganzen Business-Umfeld. Ich habe mich dafür entschuldigt, dass ich ihn mit meiner privaten Leidensgeschichte einfach am Telefon überfallen habe.

Wir haben uns seitdem nicht mehr gesehen. Aber im Sommer bin ich mit meinem jetzigen Mann zu einer Hochzeit eingeladen. Und über Umwege habe ich erfahren, dass mein Gesprächspartner von damals auch da sein soll (die Welt ist manchmal ein Dorf). Ich freue mich darauf, ihn zu sehen und ihm meine erweiterte Familie vorzustellen.

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